Geheimtipp Amara: Die Heilkraft der Bitterstoffe

Löwenzahn enthält viele Bitterstoffe und ist ein Allround-Stärkungsmittel (Bild: Pixabay)

Auch wenn wir erstmal das Gesicht verziehen, sollten wir Bitterkräuter wiederentdecken: Sie bringen uns von Grund auf in Form und sorgen für allerbeste Laune

Bitterstoffe sind zunächst, was ihr Name verspricht: bitter. Sie zählen zu den wichtigsten Mitteln der Pflanzenheilkunde, werden als sekundäre Pflanzenstoffe bezeichnet und gehören, chemisch betrachtet, ganz unterschiedlichen Stoffgruppen an.
Enthalten sind Bitterstoffe in vielen Pflanzen, die sich damit vor Fressfeinden schützen. Beispielsweise in Gemüse wie Broccoli, Wirsing und Rosenkohl (siehe Naturapotheke 2/19), in bitteren Salaten wie Radicchio, Chicoree, Endivie und Rucola und in Obst, hauptsächlich in Zitrusfrüchten wie Grapefruit, Bitterorangen, Limonen und Zitronen. Zu den typischen Bittergewürzen zählen etwa Bockshornklee, Kurkuma, Salbei, Rosmarin, Basilikum und Ingwer. Klassische Bitterkräuter sind Wermut, Engelwurz, Schafgarbe, Wegwarte und Löwenzahn. Siehe auch den ausführlichen Artikel von Angelika Franke und Hildegard Riedmair in der NaturApotheke 3/19, und den spannenden Astromedizin-Artikel von Riki Allgeier über den Enzian in der NaturApotheke 3/20).

Vorzüge der Bitterstoffe

Wenn wir etwas Bitteres schmecken, regt das sogleich Schleimhäute und Drüsen an, verstärkt Speichel freizusetzen und die Verdauung in Schwung zu bringen. Bittermittel reinigen die Schleimhäute, sie stärken unser gesamtes Verdauungs- und Immunsystem. Sie unterstützen Leber und Galle, sorgen für eine gesunde Darmflora, stimulieren Magensäfte, aktivieren Milz und Bauchspeicheldrüse, senken Cholesterin und hohen Blutdruck. Sie wirken stark basisch und unterstützen uns dabei, Nährstoffe und Vitamine besser aufzunehmen, was hilft, Ermüdungserscheinungen zu vertreiben. In Verbindung mit einer Darmsanierung und Ernährungsoptimierung können Bitterkräuter zudem Hautkrankheiten zum Verschwinden bringen. Dank Bitterstoffen werden oft auch Beschwerden wie Fettstoffwechselstörungen, funktionelle Herz- Kreislauf-Beschwerden oder depressive Verstimmungen gemildert. Mit ihrer Hilfe gelingt es leichter abzunehmen, denn sie sorgen für ein schnelleres Sättigungsgefühl, dämpfen den Hunger auf Süßes und kurbeln das Verbrennen von Fettzellen an.

Zur Geschichte

In der Traditionellen Chinesischen Medizin gelten die Bitterstoffe bis heute als Gegenspieler des Süßen. Als Beigabe zu Süßem gibt es in China daher oft bittere Gewürze wie etwa Ingwer.
Bereits im Altertum wurde bei der Behandlung von Krankheiten besonderer Wert auf die Bitterstoffe gelegt. So empfahl Hippokrates die bitteren Kräuter zur Vorbeugung gegen vielerlei Beschwerden. Auch Antonius Musa, Leibarzt von Kaiser Augustus, empfahl für eine gute Verdauung täglich ein Schälchen bitterer Kräuter. Hildegard von Bingen verordnete die natürlichen Bittermittel im Rahmen der Klostermedizin. Die Aussage „Der Tod sitzt im Darm“ stammt von Paracelsus aus dem 16. Jahrhundert, er empfahl daher ein Elixier für ein gesundes und langes Leben, das neben Myrrhe, Aloe und Safran verschiedene Bitterwurzeln enthielt. Das Grundrezept dieser Mischung ist heute als Schwedenbitter bekannt.

Bewährtes ging verloren

Unsere Vorfahren wussten, dass bitter lustig macht. Sie kannten die segensreiche Wirkung der Bittermittel für die Gesundheit. Allerdings waren sie noch an den bitteren Geschmack gewöhnt, denn ihre Nahrung war reich an Bitterstoffen. Selbst vor 20 Jahren schmeckte der innere Spross von Chicorée noch stark bitter und Spargel bot gleichfalls ein kräftiges Bitteraroma.
Im Laufe der Zeit hat sich der Geschmack eher hin zu Süßem verändert, das uns die Lebensmittelindustrie denn auch überall anpreist. Bitterstoffe werden sogar aktiv aus Gemüse und Salat, wie etwa Chicoree, Radicchio oder Endivie, herausgezüchtet. So ging Altbewährtes verloren und unser Geschmacksempfinden hat sich dadurch verändert – leider nicht zu unserem Besten, denn Nahrung, die vor allem mild und süß schmeckt, verlockt zu mehr.
Über die Nahrung allein nehmen wir daher heute oft nicht mehr genügend Bitterstoffe auf. Zum Glück sind die wertvollen Bitterstoffe aber auch in vielen einheimischen Heilpflanzen enthalten.

Wirkweise

Bitterstoffe wirken am besten, wenn man sie vor dem Essen zu sich nimmt – zumindest einmal täglich, am besten vor jeder Mahlzeit, was für eine geregelte Verdauung sorgt. Viele bemerken dadurch eine gesteigerte Antriebskraft und Klarheit. Bei anderen kann es zu einer Entgiftungsreaktion kommen, die sich über die Bitterstoffdosis individuell regulieren lässt. In der Regel dauert es einige Wochen oder Monate, bis sich die positiven Resultate einstellen.

Qualitativ hochwertige Kräuterbitter beinhalten in der Regel verschiedene Sorten bitterstoffhaltiger Kräuter. Diese kann man auch in Kapselform zu sich nehmen, um den unangenehmen Geschmack zu umgehen, aber die Kraft traditioneller Kräuterbitter ist viel intensiver, da sie ja schon im Mund zu wirken beginnen und dort unsere Geschmacksknospen umtrainieren – weg von süss, salzig und ungesund hin zu bitter und gesund. Zum Start kann es helfen, die Bitterstoffe in etwas Kräutertee zu verdünnen. Süßen bringt nicht viel, da bitterer und süßer Geschmack dann nebeneinander bestehen bleiben.

TIPP: Bitterstoffe wirken gut als Tinktur oder im Tee, da sie so schon über die Mundschleimhaut aufgenommen werden.

Ingwertee für gute Laune und starke Nerven

  • Zutaten: frischer Ingwer, Biozitrone
  • Zubereitung: Frischen Ingwer zerkleinern, bis 1 EL damit gefüllt ist. Diesen in eine Tasse geben und mit heißem Wasser übergießen. 10 Minuten ziehen lassen, abseihen. Nach Bedarf etwas frischen Zitronensaft dazugeben. 3 Tassen am Tag empfohlen.

Tee für ein starkes Immunsystem

  • Zutaten: 20 g Angelikawurzel, 20 g Bitterklee, 20 g Enzianwurzel, 20 g Gänsefingerkraut und 20 g Schafgarbenkraut miteinander mischen.
  • Zubereitung: Von dieser Mischung 1 TL mit 2 Tassen kaltem Wasser ansetzen, 6 Stunden ziehen lassen, danach kurz aufkochen und abseihen. Über den Tag verteilt trinken.

Wichtig: Die Tees bitte nur kurmäßig anwenden: Nach maximal 4–6 Wochen mindestens 3 Wochen Pause machen!

Wir möchten Ihnen wieder Lust auf Bitterstoffe machen. Dafür haben wir viele Rezeptvorschläge zusammengetragen. Probieren Sie doch einfach mal den einen oder anderen Tee, so trainieren wir unser Geschmacksempfinden neu, und nach kurzer Zeit erscheint der bittere Geschmack gar nicht mehr so schlimm. Vielleicht sind Sie im Mai dann auch mit dabei zum Start der Maikur nach Hildegard von Bingen. Erfahren Sie mehr über Pflanzen mit Bitterstoffen und Rezepte zu diesem spannenden Thema in der NaturApotheke 03/20.

geschrieben von
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