Die Weisheit des ungesicherten Lebens

close up shot of child hand playing with stones on beach. (Bild: Getty Images)

Alan Watts traf den Nerv der Zeit. Seine Bücher beflügelten die Jugendbewegung der 1960er-Jahre und prägten ihren Lebensstil entscheidend mit. Seither hat Watts viele Menschen dazu inspiriert, über ihr Weltbild nachzudenken. Sein Credo, dem Leben offen und furchtlos zu begegnen, kann uns auch heute weiterhelfen.

Die Bücher, Vorlesungen und philosophischen Überlegungen von Alan Watts haben schon viele dazu angeregt, sich Gedanken zu machen, wie sie leben und wie sie eigentlich gern leben möchten. Heute erleben wir wieder eine Zeit des Umbruchs und des fundamentalen Wandels auf vielen Ebenen. Das betrifft auch unsere Werte und Überzeugungen. Der Aufbruch in eine neue Zeit verstärkt Ängste und Unsicherheiten, birgt aber auch Chancen und Möglichkeiten, vieles neu zu gestalten. Da ist es gut zu wissen, von wo aus wir starten, was unser Denken bisher geprägt hat und wohin wir uns entwickeln möchten. Wie können wir Neues entwickeln, ohne uns dabei im Kreise alten Denkens zu drehen? Watts’ Ideen sind also noch aktuell.

Seine Geschichte

Alan Watts (1915–1973) stammte aus England, wanderte in die USA aus und studierte an der University of Vermont Theologie. In dieser Zeit beschäftigte er sich intensiv damit, wie sich Christentum und fernöstliche Philosophie vereinen lassen. Fünf Jahre war er als Priester der Episkopalkirche tätig, was er wegen einer außerehelichen Affäre aufgab. Er ging nach San Francisco, lehrte an der Academy of Asian Studies und studierte die chinesische Schrift und Kalligraphie. Über eine wöchentliche Radiosendung, die zehn Jahre lief und sehr beliebt war sowie seine Reden (siehe Youtube), gewann er eine breite Zuhörerschaft. In der Folgezeit arbeitete er als freier Schriftsteller und Dozent. Er lebte intensiv, war dreimal verheiratet und hatte sieben Kinder.

Vor dem Hintergrund einer entbehrungsreichen Kindheit engagierte er sich auch für mehr Ästhetik in verschiedensten Lebensbereichen, wie etwa Architektur und Ernährung. Mit Gleichgesinnten setzte er diese Prinzipien in der Kommune Druid Heights nahe Mill Valley in Kalifornien um. Sein Ziel war ein ganzheitliches, naturbezogenes Weltbild jenseits kultureller Restriktionen, das den Menschen nicht unterdrückt, sondern ihm hilft, sein wahres Wesen zu erkennen
und sich im Hier und Jetzt zu entfalten.

Vermittler zwischen den Welten

Als Religionsphilosoph trug er maßgeblich dazu bei, fernöstliche Philosophie und Spiritualität im Westen bekannt zu machen. Sein Buch „The Way of Zen“ wurde zum ersten Bestseller über Buddhismus. In seinen mehr als 25 Büchern, zahlreichen Artikeln, Vorträgen und Reden interpretierte er Buddhismus, Daoismus und Hinduismus. Zentrale Themen sind persönliche Identität, menschliches Bewusstsein und die wahre Natur der Wirklichkeit.

Alles ist mit allem verbunden

Im Sinne des Pantheismus betrachtete er die Welt als eins und den Menschen nicht als vom Rest der Welt abgetrennt, sondern aus der Welt heraus gewachsen und somit mit allem verbunden. Wie andere Denker seiner Zeit, etwa sein Freund Aldous Huxley, sah er die Entfremdung des Menschen in der modernen Welt als Grund für das damit einhergehende Leid. Mit immer mehr Technik versuche der Mensch, sich sicherer zu fühlen und sein Leben planbarer und kontrollierbarer zu machen. Laut Watts verbirgt sich dahinter ein ängstliches Ich, das sich bedroht fühlt von der Welt. In dialogischem Stil deckt er auf, was wir fälschlicherweise für Realität halten.

Das Mysterium des Augenblicks

Watts geht es um eine tiefere Dimension des Bewusstseins und eine spielerische Haltung, die uns dem Leben offen und ohne Furcht begegnen lassen. Unsere Sprache und unser Denken sind dafür nur dann hilfreich, wenn sie wach sind und sich nicht „in einem Traumland von Vergangenheit und Zukunft“ verlieren, sondern in Tuchfühlung mit dem Augenblick sind. Denn „dort ist das Leben lebendig, vibrierend, anschaulich und gegenwärtig. Dort enthält es Tiefen, die wir kaum zu erforschen begonnen haben.“

Wie kommen wir da hin? Watts schlägt vor, indem wir den Geist nicht teilen in geistiges Ich und gegenwärtige Erfahrung. Die einzige Regel heißt: „Nimm wahr!“ Die Kunst im Augenblick zu leben, ist der Weg und das höchste Ziel: „Der Augenblick muss das sein, was er immer ist – alles, was du bist, und alles, was du weißt.“

• Alan Watts: Weisheit des ungesicherten Lebens, Knaur, 2014, amerik. Original 1951
• The Way of Zen, amerik. Original 1957

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geschrieben von
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