Mistel-Zauber

Bis heute heilen und wirken die Kräfte der Mistel, Foto: Hanson59
Giftig und heilkräftig stärkt die Mistel die Immunkräfte und soll sogar bei Krebs helfen

Bei Asterix und Obelix erzielt der Misteltrank durchschlagende Wirkung. Aber auch sonst werden wohl kaum einer Pflanze so viele Zauberkräfte zugeschrieben. Die Mistel war den Menschen schon immer etwas Besonderes: So lange sie nicht wussten, dass die Samen an den Schnäbeln der Vögel klebend ihren Weg in die Baumkronen finden, schien ihnen die immer-grüne, wurzellos wachsende kugelförmige Pflanze ein Zeichen der Götter zu sein. So hielt schon Plinius in seinen Beschreibungen „Naturalis Historia“ verwundert fest, dass die Druiden nichts für heiliger hielten als die Mistel und den Baum, auf dem sie wächst, sofern dies eine Eiche war. „Sie nennen sie in ihrer Sprache ‚die alles Heilende’ und glauben, dass durch ihren Trank jedem unfruchtbaren Lebewesen Fruchtbarkeit verliehen werde und dass es ein Heilmittel gegen alle Gifte sei. So groß ist häufig der Aberglaube der Völker in nichtigen Dingen.“

Heilpflanze für Asthma bis Krebs

Ein Aberglaube? Nur wenige Pflanzen sind hinsichtlich ihrer Heilkraft so zahlreich und vielfältig beschrieben worden. Schon Hippokrates lobt die Wirkung von Mistelsuppe gegen Fallsucht. Im Mittelalter nennt Hildegard von Bingen die Mistel als Hilfe gegen erfrorene Gliedmaßen und Leberer- krankungen, vor allem die Birnbaummistel empfiehlt sie gegen Brust- und Lungenleiden. Paracelsus galt sie als die Heilpflanze bei Epilepsie, und ein Pflanzenbuch von 1777 rät zur Behandlung mit Mistel bei Seitenstechen, Ruhr und „viertägigem Fieber“, bei „Blutspeyen“ und Nervenleiden sowie „auch bey schweren Geburten.“ Schwindel, Migräne, Unfruchtbarkeit, Gicht und Ruhr – sogar Geschwüre im Ohr sollte die Mistel kurieren. Als Tee empfiehlt Sebastian Kneipp den Gebrauch der Mistel bei Frauenleiden, Anfang des 20. Jahrhunderts gab es erste Misteltabletten gegen Bluthochdruck. Und Rudolf Steiner schließlich entdeckte die Mistel als Heilmittel bei Krebserkrankung. Zur Linderung und Immunabwehr ist die Mistel heute in der Krebsbehandlung unumstritten anerkannt. So viel also zum „Aberglauben in nichtigen Dingen“.

Der goldene Zweig des Aeneas

Tatsächlich ranken sich um die Mistel durch alle Kulturen Mythen und Geschichten. Sie findet sich in der nordischen ebenso wie in der antiken Mythologie. Der griechische Gott Hermes wie der römische Sagenheld Aeneas nutzen Mistel- zweige als Schlüssel für die Unterwelt. Den Germanen und Kelten war sie neben dem Eisenkraut die wichtigste Zauber- pflanze. Und die Edda singt die Sage der Göttin Freya, die auf einen prophetischen Traum ihres Lichtersohns Baldur hin alle Tiere und Pflanzen durch ein Versprechen bindet, Baldur nicht zu verletzen. Einzig die junge Mistel übersieht sie, und so gelingt es dem listigen Loki, den Tod des Baldur durch ein Mistelholz zu erwirken. Die Tränen der Mutter werden zu den Früchten der Mistel.

Schutz durch den Hexenbesen

Nicht nur den Küssen unter dem Mistelzweig spricht der Volksmund besondere Kraft zu. Ein Mistelzweig unter dem Dach, der sogenannte Donner- oder Hexenbesen, soll Haus und Stall vor Feuer und Blitz schützen, und ein in der Heiligen Nacht aufgehängtes Büschel Mistelzweige soll Obstbäume vor Hagel und Schädlingen bewahren.

Weil die Mistel nicht zu Boden fällt, sollte ein Mistelzweig Fallsüchtige vor einem epileptischen Anfall bewahren. „Da die Mistel nicht auf der Erde wurzelt, scheint daraus zu folgen, dass ein Epileptiker unmöglich hinfallen kann, solange er ein Stück Mistel in der Tasche mit sich herumträgt oder eine Abkochung aus Mistel im Magen hat“ (Frazer). Ein klei- ner Mistelzweig als Amulett um den Hals soll „Unholde und Zauberey“ von Kranken und Kindern fernhalten (Kräuterbuch des A. Mattioli) und vor Schlangenbissen schützen. Das Christentum sah in den sich gleichmäßig gabelnden Zweigen der Mistel ein natürlich gewachsenes Kreuz, und so wirkt die zauberische Mistel als Schutzsymbol der Pariser Flussschiffer und als Teil des weihnachtlichen Brauchtums.

Sonstige Zauberkräfte

Der lateinische Name sowie der Begriff „Leimmistel“ weisen auf eine weitere Eigenschaft, die klebrige Beschaffenheit der weißen Früchte, hin (viscum, lateinisch für Leim). So bleiben die Beeren und Samen an den Vögeln haften, die für die Verbreitung der Misteln sorgen. Aus den Beeren wurde Leim gewonnen und mit Leimruten stellte man vor allem der für einen Singvogel großen Misteldrossel nach.

Das Ernten der Mistel zwischen Dezember und März darf dem Volksglauben zufolge nur stillschweigend und nicht mit Werkzeug aus Eisen geschehen. Misteln von Eichen und Obstbäumen, allen voran der Haselnuss, schreibt man besondere Kräfte zu.

Das macht auch die Radiästhesie, denn die Mistel wächst häufig an „heiligen Plätzen“ und zeigt Störzonen wie Erdver- werfungen oder Wasseradern an. Sie wird wegen der Form ihrer Äste auch gern von Rutengängern genutzt.

HINWEIS: Da die Mistel eine Giftpflanze ist, empfehlen wir hier ausdrücklich keine Anwendungen.

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